Die 15. Ausgabe des BROADWAY erzählt unter dem Titel „Blicke“ die Geschichten und Perspektiven einiger Menschen und Einrichtungen auf das Zentrum Karl-Marx-Straße. Sie zeigt, wie jene, die hier leben, wirken und arbeiten, die Straße tagtäglich mitgestalten und sie so zu einem lebendigen und einzigartigen Ort machen. Wir sprechen mit unterschiedlichen Akteur*innen, fangen die Sichtweisen von Kindern, Jugendlichen und Senior*innen ein und gewähren spannende Einblicke in die vielfältigen Lebensrealitäten entlang der Karl-Marx-Straße und in den angrenzenden Kiezen.

Stand Oktober 2024

Kaffee, Kuchen und Kebap

Der MoRo Seniorenwohnanlagen e.V. in der Rollbergstraße 22 setzt sich beherzt für ältere Menschen im Kiez ein und unterstützt sie dabei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Unter anderem bietet er Senior*innen praktische Unterstützung im Alltag an und lädt regelmäßig zu gemeinsamen Aktivitäten wie Kochen, Kaffeekränzchen oder Frühstückstreffen in der kiezoffenen Begegnungsstätte ein. Wir haben Bewohnende bei Kaffee und Kuchen besucht, um ihre Perspektive auf das Zentrum Karl-Marx-Straße einzufangen.

Gleich zu Beginn unseres Gesprächs erfahren wir, dass viele der Bewohnenden erst im hohen Alter nach Neukölln gezogen sind. Dennoch erinnern sich so manche daran, wie es hier einst war. So wurden früher beispielsweise noch Lebensmittel vor den Hauseingängen verkauft. Ebenso erinnert man sich an kleine Boutiquen, traditionsreiche Fachgeschäfte und große Kaufhäuser wie das Hertie. „Die Karl-Marx-Straße war der Ku’damm von Neukölln“, so eine Bewohnerin.

Begegnungsstätte

Zu Besuch in der kiezoffenen Begegnungsstätte

Im Vergleich zu früher hat sich jedoch nicht nur der Stadtraum verändert, sondern selbstverständlich auch die Art und Weise, wie unsere Gesprächspartner*innen den öffentlichen Raum über die Jahre hinweg nutzen. So sind zum Beispiel die Wege kürzer geworden und der Wunsch nach Sitzgelegenheiten ist gestiegen. Vor allem die Baustelle in der Karl-Marx-Straße stellt für viele eine Belastung dar. Für einige Bewohnende ist sie mit Umwegen verbunden, da die provisorischen Wege häufig zu schmal sind. Deshalb weichen sie lieber auf die umliegenden Straßen aus, in denen nicht gebaut wird. Doch auch das Kopfsteinpflaster und die vielerorts zu hohen Bordsteinkanten stellen oft ein Hindernis dar. Viele freuen sich über die bereits fertiggestellten Bauabschnitte, in denen die Gehwege nun breiter sind. Allerdings werden noch immer Sitzgelegenheiten vermisst. Diese wünschen sich unsere Gesprächspartner*innen vor allem auch an den derzeitigen Ersatzhaltestellen.

Stadtbad Neukölln

Stadtbad Neukölln (Foto: Andreas Labes)

Im Kiez gibt es aber auch vieles, was geschätzt wird. So wird der Comenius-Garten in der Richardstraße als versteckte Oase beschrieben, in der man von dem bunten Treiben auf der Karl-Marx-Straße eine Auszeit nehmen kann. Auch nahegelegene Parkanlagen wie die Hasenheide, die Thomashöhe und der Körnerpark werden als attraktive Erholungsorte genannt. Gerne genutzt wird zudem das Stadtbad in der Ganghoferstraße – vor allem morgens, wenn es ruhiger ist. Die Wochenmärkte am Karl-Marx-Platz sowie am Hermannplatz finden ebenfalls regen Zuspruch bei den Senior*innen. Hier überzeugt das hervorragende Angebot an regionalem Obst und Gemüse. Generell wird die Lebensmittelversorgung vor Ort als sehr gut empfunden. Darüber hinaus gibt es entlang der Karl-Marx-Straße zahlreiche Arztpraxen, die fußläufig gut erreichbar sind.

Comenius-Garten

Comenius-Garten

Auch für die Senior*innen sind die Neukölln Arcaden ein wichtiger Bezugspunkt. Besonders geschätzt wird die Helene-Nathan-Bibliothek und ihre Weiterbildungsangebote. So berichtet eine 74-jährige Bewohnerin, dass sie bereits eine kostenlose Schulung zum Umgang mit Smartphones besucht hat. Auch die Möglichkeit, kostenlos PCs nutzen zu können, wird gerne in Anspruch genommen. Eine andere Bewohnerin wiederum genießt besonders gerne den Blick von oben auf das Zentrum und die Stadt. Mit Familienmitgliedern besucht sie deshalb ab und an den Klunkerkranich. Gespannt blickt sie auch dem KALLE Neukölln und der dort entstehenden Dachterrasse entgegen. Sie hofft, dass das Gebäude ein Treffpunkt für die ganze Familie wird, auch wenn sie sich ein wenig Sorgen vor den Preisen macht. Wird der Kaffee dort für sie leistbar sein?

Klunkerkranich

Klunkerkranich (Foto: Julian Nelken, Klunkerkranich)

Was wünschen sich die Bewohnenden der Seniorenwohnanlage für die Zukunft? Neben der Fertigstellung der Baumaßnahmen würden sie sich über mehr Mülleimer und eine regelmäßigere Abfallentsorgung freuen. Darüber hinaus würden sie es begrüßen, wenn Tausch- und Sperrmüllmärkte noch bekannter gemacht würden. Denn in den letzten Jahren präge Müll zunehmend das Bild der Karl-Marx-Straße. Dies beeinträchtige nicht nur das Erscheinungsbild des Zentrums, sondern erschwere auch das Zufußgehen – insbesondere mit dem Rollator.

Markt

Markt auf dem Karl-Marx-Platz (Foto: Susanne Tessa Müller)

Während unseres Gesprächs lernen wir auch eine Seniorin kennen, die lediglich in der Anlage wohnt und ihre Zeit größtenteils andernorts verbringt. Sie erzählt uns, dass sie viel mit dem Auto pendelt und sich daher in Neukölln nicht allzu gut auskennt. Eines macht sie im Zentrum Karl-Marx-Straße aber besonders gerne: Kebap essen – der schmecke hier nämlich am besten.

Carolina Crijns und Christoph Lentwojt, raumscript