Im KARLON #5 – 2018, der Sanierungszeitung für das Gebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee, können Sie sich wieder über die vielschichtigen Entwicklungen informieren. Die Themen reichen von den zahlreichen Verkehrsprojekten über die Erneuerung am Weigandufer zu den Möglichkeiten der Beteiligung im Sanierungsgebiet.
Wann ist ein Bad ein Bad?
Eine interessante Kontroverse zum Thema Milieuschutz
Manche sind nur 80 cm breit, aber im Verhältnis scheinbar absurd lang. Wie auf einer Perlenschnur reiht sich eine komplette Badezimmerausstattung auf. Liebgewordener Teil der Berliner Altbauten oder unzeitgemäß? Am Schlauchbad scheiden sich die Geister.
Modernes Beispiel eines Schlauchbads
Die Geschichte des Schlauchbads beginnt mit der Bau-Polizei-Ordnung von 1887. Hier wurde festgelegt, dass „Bedürfnisanstalten und Badestuben“ über ein Fenster verfügen müssen. Bereits damals war Baugrund kostbar. Typische Berliner Häuser hatten die Fenster an der Schmalseite der Zimmer, damit die Räume möglichst tief ausfallen konnten. Da ein Bad seinerzeit als verzichtbarer Luxus angesehen wurde, entstanden somit lange schmale Räume vom Korridor bis zur Außenwand, exklusive der Toilette.
Viele dieser schmalen Örtchen der Gründerzeit haben sich im Laufe der letzten 100 Jahre zu Bädern gemausert. Sie gleichen selten einander, sondern es gibt viele Varianten zur Unterbringung von WC, Waschbecken und Wanne oder Dusche auf ca. vier Quadratmetern. Für viele Bewohner*innen gehören diese besonderen Bäder zum Altbau dazu. So haben bei Haushaltsbefragungen zum Milieuschutz nur rund drei bis fünf Prozent der Bewohner*innen angegeben, mit ihren Bädern unzufrieden zu sein.
Heute sind für Bäder keine Fenster mehr vorgeschrieben. Dies verschafft neue Möglichkeiten der Grundrissgestaltung. Immer wieder heißt es, wenn eine Wohnung saniert wird, sollte es nachhaltig sein. Die schmalen Bäder werden von manchen als nicht zeitgemäß empfunden. Sicherlich sehen Bäder in heutigen Neubauten meist anders aus. Aber in Bezug auf ihre Grundfläche sind sie oft auch nicht zwingend größer, nur anders geschnitten.
Einfach übertragbar auf einen Altbau sind moderne Badgrundrisse nicht, denn das Schlauchbad ist kein Zufallsprodukt. Ein solcher Umbau löst in den meisten Fällen eine Kettenreaktion aus. Z.B. müssen Leitungen verlegt, Fußböden und Nachbarräume angepasst werden. Am Ende entsteht oft eine andere Wohnung, die nicht mehr auf die Bedürfnisse derer zugeschnitten ist, die diese Wohnung einst für sich ausgesucht hatten.
Seit 2016 liegen fast alle Wohnungen des Sanierungsgebietes auch in Milieuschutzgebieten. Zentrales Ziel ist hierbei „die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“, wie es auf Amtsdeutsch heißt. Badmodernisierungen und ihr zulässiger Umfang sind seitdem immer wieder Streitgegenstand in Genehmigungsverfahren. Der Bezirk vertritt den Standpunkt, dass es nicht auf die Größe des Bades ankommt. Wichtig für einen zeitgemäßen Ausstattungsstandard ist, ob im vorhandenen Grundriss WC, Waschbecken und Badewanne oder Dusche vorhanden sind oder untergebracht werden können. Dies ist im Einzelfall sicherlich eine Herausforderung für die Architekten. Unmöglich ist es aber nicht. Pfiffige und auf den Einzelfall zugeschnittene Ideen sind gefragt.
Oliver Türk