Der KARLON #3 – 2016 berichtet mit dem Schwerpunkt Wohnen über die Entwicklungen im Aktiven Zentrum und Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee. Hier wird viel daran gearbeitet, das Wohnumfeld den gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen anzupassen. Dazu gehören die Modernisierung und der Ausbau der Schulen, Straßen, Grünverbindungen und Fahrradwege.
Die Stadt ist der Star
Wohnen als Lebensmittelpunkt
Lebensverhältnisse in den gründerzeitlichen Mietshäusern um 1918 © Bundesarchiv
„Die Stadt ist der Star“ hieß das Motto des Festivalsommers 2015 in Karlsruhe. Angesichts der Zuwanderung und somit offensichtlichen Beliebtheit Neuköllns ein übertragbares Motto.
Wir berichteten bereits im letzten KARLSON von den Bevölkerungszuwächsen in Nord-Neukölln zwischen 2008 und 2013. Im Sanierungsgebiet lag der Zuwachs bei rund 2.000 auf insgesamt über 30.000 Personen. Die Neuköllner leben eng beisammen, gemessen am Berliner Durchschnitt oft in kleinen Ein- bis Zweizimmerwohnungen. Ein großer Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner ist zwischen 25 und 35 Jahren alt.
In Anbetracht dieses Zuwachses sind Wohnungen ein knappes Gut geworden. Dabei ist Wohnen elementar und eigentlich selbstverständlich – der Lebensmittelpunkt. Die eigene Wohnung wird definiert durch Begriffe wie dauerhaft, selbstbestimmt, freiwillig, unabhängig. Nun sind die unabhängige Gestaltung der Haushaltsführung und die Freiwilligkeit bei der Wahl der Wohnung auch von den Angeboten am Wohnungsmarkt abhängig, die durch den Mangel stark eingeschränkt sind.
Unsere Wohnungen sind Orientierungspunkte unseres Lebensweges. Gleichzeitig erfordert das Leben heute die Bereitschaft zur Mobilität: Für den Arbeitsplatz, die Ausbildung, das Studium oder auch die Partnerschaft. Auch in Nord-Neukölln ist eine hohe Fluktuation in der Bevölkerung festzustellen. Die Wohnungen können sich nicht mitbewegen, das ist das Wesen der Immobilie (lat. unbeweglich). Die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt führt zu steigenden Mietpreisen und wird damit zu einem großen Problem für viele, die sich auf diesem Markt nichts mehr leisten können.
Aber es gibt auch die Wohnung als Ware, die Eigentumswohnung. Viele Eigentümerinnen und Eigentümer sagen sich „einmal im Leben erworben, nie mehr Wohnungssuche“. Die Wohnung ist ein bleibender und universaler Wert, weil jeder dieses Gut einmal braucht, wenn Lage und Ausstattung stimmen. Nur sind leider die Angebote für den Lebensmittelpunkt in zentralen Lagen, also mit günstiger Verkehrsanbindung, dichtem Versorgungsnetz und der Nähe zu Kultur und Erholung nicht überall und in gleicher Qualität zu haben.
Gerade in Neukölln, lange Zeit für viele nicht der bevorzugte Wohnstandort, sind es genau diese Potentiale des Stadtraums, die neu entdeckt werden und zu einem verstärkten Zuzug geführt haben. In dieser Ausgabe des KARLSON soll das Wohnen mit seinen ganzen Schattierungen und Veränderungen, aber auch seine Bedeutung für den Stadtraum wie ein roter Faden durch das Heft gehen und den Schwerpunkt bilden.
Horst Evertz