„Verborgen“ heißt das Thema des Broadway Nº 9 – 2017/2018. Die BROADWAY-Redaktion hat verborgene Orte und Menschen an der Karl-Marx-Straße ins Licht gerückt. Dazu gehören ein anderer Blick auf die Baustelle Karl-Marx-Straße, das unterirdische Kindl-Gelände, verborgene Höfe der Karl-Marx-Straße oder ein Blick hinter die Kulissen der Neuköllner Oper und der Neukölln Arcaden.
Reise in den Untergrund
Bauten unter der Stadt scheinen wie ein kleines Atlantis zu sein. Verborgene Keller, Gänge oder die Kanalisation üben eine düstere Faszination auf uns aus, stecken sie doch voll mutmaßlicher Geheimnisse und Geschichten. Es gibt also gute Gründe, um auch im Zentrum Karl-Marx-Straße eine Reise in den Untergrund zu unternehmen und einen Blick in die unterirdische Welt der ehemaligen Kindl-Brauerei zu werfen.
„Establishment“ Installation zu 48 Stunden Neukölln von Marc Klee © Ines Borchart
Wer tiefere Einblicke in das unterirdische Bauwerk der ehemaligen Brauerei erhalten möchte, kommt um eine kleine Einführung in die Welt der Bierproduktion im frühen 19. Jahrhundert nicht herum. Es begann um 1820, als das untergärige bayerische Bier auch im Berliner Raum den Markt eroberte. Dieses Bier wirkte erfrischend, während das traditionelle obergärige Berliner Bier eher träge machte. Aufgrund des großen Erfolgs trieben die Brauereien auch im Berliner Raum die großflächige Produktion des Bieres bayerischer Brauart voran. Dazu benötigt wurden in großem Umfang kühle Produktions- und Lagerflächen, denn vor allem die Lager-Temperatur entschied darüber, ob unter- oder obergäriges Bier entstehen konnte. So wurden ab circa 1840 neue Brauereien auf den Hügeln rund um die Stadt gebaut. Hier waren Flächen vorhanden und der Bau der Gewölbekeller war wegen des nassen und sandigen Berliner Bodens einfacher auszuführen als im historischen Zentrum der Stadt. 1872 wurde in Rixdorf auf dem Rollberg die „Vereinsbrauerei Berliner Gastwirte zu Berlin AG“gegründet. Sie expandierte in den folgenden Jahrzehnten vom Standort Neukölln aus und wurde 1907 nach seinem erfolgreichsten Bier, dem Berliner Kindl, in Kindl-Brauerei umbenannt.
„Stahlwald“ in den Kellergewölben Party-Location „SchwuZ“
Heute finden wir im Untergrund immer noch die Relikte dieser Glanzepoche der Neuköllner Bierproduktion. Einige Teilbereiche der unterirdischen Anlage werden wieder genutzt – so etwa vom SchwuZ, das hier seit 2013 für ein buntes Publikum seine Partys feiert. Die Vollguthalle kann für Veranstaltungen gemietet werden. Auch eine kleine Brauerei gibt es hier wieder. Der größere Teil der Gewölbe aber liegt aufgrund der bautechnischen Besonderheiten und Sicherheitsvorschriften im Dornröschenschlaf und ist damit für die Öffentlichkeit unzugänglich.
Stephanie Otto