Im KARLON #5 – 2018, der Sanierungszeitung für das Gebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee, können Sie sich wieder über die vielschichtigen Entwicklungen informieren. Die Themen reichen von den zahlreichen Verkehrsprojekten über die Erneuerung am Weigandufer zu den Möglichkeiten der Beteiligung im Sanierungsgebiet.

Mitwirken erwünscht

Positive Effekte der Bürgerbeteiligung im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee

In Berlin wird gebaut und die Stadt an vielen Stellen erneuert. So auch im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/ Sonnenallee. Dafür braucht es Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung. Doch auch schon in wirtschaftlich schlechteren Zeiten war es allgemeines Ziel der Stadtplanung, die Öffentlichkeit zu informieren und die Bevölkerung im Gebiet an der Planung zu beteiligen. Das Baugesetzbuch fordert von jeher die frühzeitige Beteiligung, sei es bei der Bebauungsplanung oder bei Maßnahmen in der Stadterneuerung.

Dies ist kein Selbstzweck. Um Verständnis für Planungen und ihre Umsetzung zu wecken, müssen die Bewohner*innen einer Stadt wissen, was um sie herum geschieht. Die vielfach kritische Stadtgesellschaft braucht Angebote, mit den Entscheider*innen in der Verwaltung und der Politik in einen Dialog treten zu können, um ein gutes Klima bei der Umsetzung von Neubaumaßnahmen zu schaffen. Dazu gehört, dass Handlungsoptionen öffentlich diskutiert werden können. Für eine gute und nachhaltig wirksame Planung wird zudem das lokale Wissen der Menschen vor Ort benötigt, denn oftmals haben diese einen anderen Einblick in die Situation ihrer Nachbarschaft als die Planer*innen. Im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee wurde der Erneuerungsprozess von Beginn an durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Dazu gehören neben dem Internetauftritt und zahlreichen Publikationen viele Informationsveranstaltungen zu einzelnen Vorhaben, aber auch Treffen, die die Netzwerke vor Ort stärken möchten. Eine regelmäßige Mitarbeit bei der Gestaltung der Zukunft des Gebiets ist in der Lenkungsgruppe der [Aktion! Karl-Marx-Straße] für den Gebietsteil Karl-Marx-Straße und im Beteiligungsgremium Sonnenallee für den Gebietsteil Sonnenallee möglich.

Bürgerbeteiligung

  • schafft Akzeptanz für Veränderung
  • bildet Vertrauen in den Prozess
  • nutzt das Wissen vor Ort
  • verbessert Planungsergebnisse
  • bildet und stärkt Netzwerke
  • erhöht die Identifikation mit dem Erreichten

Bürgerbeteiligung braucht

  • klare Regeln und Grenzen
  • Kontinuität
  • Transparenz
  • Kommunikation/Öffentlichkeit
  • verschiedene Beteiligungsformate (Rundgang, Workshop,
  • Informationsveranstaltung, digitale Formate etc.)
  • fachliche Begleitung

Herausforderungen der Beteiligung – Nicht nur in Neukölln
Beteiligung bedeutet Meinungsvielfalt, Interessensaustausch und Dialog. Neben dem richtigen Beteiligungs-zeitpunkt – nicht zu früh und nicht zu spät – sind auch die Spielräume der Beteiligung klar zu definieren. Zudem sollte auf eine gute Gesprächskultur zwischen den einzelnen Akteuren geachtet werden. Durch eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit werden die Entwicklungen während des Planungsverlaufs transparent und nachvollziehbar gemacht. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass es sehr schwierig ist, über den meist langen Planungszeitraum das Beteiligungsinteresse aufrecht zu erhalten.

Eine weitere Herausforderung von Beteiligungsprozessen sind die unterschiedlichen, teilweise gegensätzlichen Interessenlagen der beteiligten Gruppen. Dadurch entstehen Zielkonflikte, die innerhalb des Beteiligungsprozesses deutlich werden und im Rahmen des Beteiligungsverfahrens gegeneinander abzuwägen sind. Zusätzlich sind die Rahmenbedingungen wie z. B. rechtliche Vorgaben, Finanzierbarkeit, räumliche Anforderungen sowie Inhalte und Zielsetzungen des jeweiligen Förderverfahrens zu berücksichtigen, welche die möglichen Handlungsspielräume definieren. Der Erfolg von Beteiligungsverfahren misst sich daran, wie gut alle diese Ansprüche miteinander in Einklang gebracht werden können.

Beteiligungskonzepte dürfen nicht statisch sein. Sie entwickeln sich durch den Austausch in unterschiedlichen Formaten immer weiter und ergeben neue Lösungen oder es entstehen neue Netzwerke, die das Wissen und die Anliegen der Menschen vor Ort einbeziehen. Im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee werden die unterschiedlichen Zielgruppen wie z. B. Bewohner*innen, Gewerbetreibende und die interessierte Öffentlichkeit immer wieder in unterschiedlichsten Formaten eingeladen, sich über die jeweiligen Planungen zu informieren und ihre Meinung einzubringen. Wir haben drei Beispiele für die erfolgreiche Mitwirkung am Sanierungsprozess ausgewählt.

Neugestaltung Alfred-Scholz-Platz

Alfred-Scholz-Paltz 2011

Vor der Umgestaltung: Platz der Stadt Hof / Alfred-Scholz-Platz, 2011 © Armin Gründler

Alfred-Scholz-Platz

Nach der Umgestaltung: Alfred-Scholz-Platz, 2014 © Armin Gründler

Ein Herzstück der Umgestaltung des Neuköllner Zentrums ist der Alfred-Scholz-Platz, dessen Umbau im April 2014 abgeschlossen wurde. Der Platz wirkte vorher eher wie ein verbreiteter Gehweg. Gegenstand des städtebaulichen Wettbewerbs war die Neugestaltung des Platzes mit einem Beitrag aus dem Bereich Kunst und Design. Neben der Gestaltung ging es auch darum, wie der Platz von den Neuköllner*innen nach dem Umbau genutzt werden kann. Die Vorschläge reichten von einem Bürgerforum für öffentliche Debatten über einen Platz zur Vorstellung ortsansässiger Kunst bis hin zu einem Bereich für Feste und Präsentationen.

Der Wettbewerb wurde durch eine umfassende Bürgerbeteiligung begleitet, bei deren Vorbereitung und Durchführung die Lenkungsgruppe der [Aktion! Karl-Marx-Straße] eingebunden wurde. Bereits während des städtebaulichen Wettbewerbsverfahrens wurden die Wünsche der Bevölkerung in die Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen. Dazu fanden Umfragen, Kunstaktionen und Schülerworkshops statt. Auf einer Bürgerversammlung wurde ein zentrales Anliegen bezogen auf die Neugestaltung des Platzes deutlich: die Neuköllner*innen wollen „ihren“ Platz, mit dem sie sich identifizieren können.

Im Siegerentwurf von „el:ch Landschaftsarchitekten“ und der Künstlerin Kaabi-Linke konnte dieser Wunsch eingelöst werden. Die unterschiedlichen Herkünfte der Neuköllner*innen als Abbild der Neuköllner Vielfalt schlagen sich in der unterschiedlichen Pflasterung des Platzes nieder. Das Besondere: Im Zuge der Workshops „Meinstein“ haben Neuköllner*innen mit jeder ihrer Aussagen zum Zusammenleben in Neukölln die Anordnung der Steine auf dem Platz verändert. So ist aus reiner Statistik ein Abbild Neuköllns entstanden, das sich im „demographischen Mosaik“ des Platzes ablesen lässt. Des Weiteren wurde durch die Lenkungsgruppe ein Wettbewerb zur Namensfindung für den neuen Stadtplatz durchgeführt, der später zur Umbenennung in „Alfred-Scholz-Platz“ führte.

Um den Platz weiter zur beleben und eine eigene Identität für den Alfred-Scholz-Platz zu fördern, wurde ein Interessenbekundungsverfahren für den Betrieb eines Bistros auf dem Platz durchgeführt. Mit der „Rixbox“ wurde nicht nur ein neues gastronomisches Angebot geschaffen. Von diesem Ort aus werden nun auch Veranstaltungen und Feste unterstützt – organisatorisch und technisch, wie z. B. durch die Bereitstellung der Wasser- und Elektroversorgung. Mittlerweile hat sich der Alfred-Scholz-Platz als beliebter Treffpunkt und Veranstaltungsort im Herzen Neuköllns etabliert.

Umgestaltung Lohmühlen- und Weichselplatz

Lohmühlenplatz

Eröffnung des südlichen Lohmühlenplatzes, 2017

Im Herbst 2017 wurden die Bauarbeiten zur Erneuerung des Lohmühlen- und Weichselplatzes abgeschlossen. Ziel der Umgestaltungen war die Aufwertung der an den Wasserstraßen gelegenen Grünverbindungen und Plätze sowie eine bessere Erschließung der Uferbereiche. Unter dem Leitbild „Grünes Band am Kanal“ wurde der Bereich Lohmühlen- und Weichselplatz durch die Umgestaltung für Naherholungs- und Freizeitzwecke attraktiver gestaltet und besser vernetzt. Dabei wurden auch verkehrliche Maßnahmen in die Planung einbezogen.

Beteiligungsgremium

Gebietsrundgang des Beteiligungsgremiums Sonnenallee

Mit der Durchführung und transparenten Begleitung des Planungsprozesses durch öffentliche Beteiligungsveranstaltungen sowie die durchgehende Einbindung des Beteiligungsgremiums Sonnenallee wurden viele Anregungen der Bewohner*innen eingebracht. Die Planungsergebnisse konnten damit verbessert werden. Als Ergebnis des Beteiligungsverfahrens wurde die vorhandene Schmetterlingswiese am nördlichen Lohmühlenplatz in die laufenden Planungen zur Umgestaltung eingebunden und deren Erhaltung gesichert.

Als Ersatz für eine Aussichtsplattform am Neuköllner Schifffahrtskanal, die aufgrund der Befürchtung vor unerwünschten Lärmentwicklungen im Rahmen des Beteiligungsverfahrens weggefallen war, wurden Sitzpodeste entlang des Uferwegs aufgestellt. Durch weitere Einwände von Anwohner*innen wurde die Verkehrsführung in Richtung Harzer Straße in einen Einrichtungsverkehr geändert und ein Gehweg entlang des Kiehlufers neu angelegt. Um frühzeitig über die geplante Umgestaltung zu informieren, wurden durch das Beteiligungsgremium vier Infotafeln rund um den Lohmühlen-/Weichselplatz aufgestellt. Auf Anregung der Anwohner-Initiative Schmetterlingswiese soll ein weiteres Infoschild zukünftig am Standort Harzer Straße Auskunft über die Grünbelange des südlichen Lohmühlenplatzes geben. Nach einer Forderung des Beteiligungsgremiums wurden darüber hinaus im Bereich des Uferwanderwegs Drängelgitter installiert, um die unerlaubte Nutzung der Grünanlage durch Radfahrer*innen zu erschweren und damit Konflikte mit Fußgänger*innen zu minimieren. Aufgrund von Vandalismus sind diese jedoch zurzeit funktionslos. Derzeit werden durch das Tiefbauamt geeignete vandalismussichere Varianten geprüft, die kurzfristig wieder eingebaut werden sollen. So ist nach Fertigstellung des Umbaus eine öffentliche Grünanlage entstanden, die von den Bewohner*innen angenommen und zur Freizeitgestaltung und Naherholung vielfältig genutzt wird.

Fortschreibung der Sanierungsziele
Die Erfahrungen aus vielen Beteiligungsprozessen auch abseits von Neukölln zeigen, dass das Interesse an Planungsprozessen steigt, je konkreter die Planungen in Richtung Umsetzung werden. Mit dem Grad der Betroffenheit steigt in der Regel die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich in die Planung einzubringen. Sehr erfreulich war deshalb das hohe Interesse an der Fortschreibung der Sanierungsziele für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee im ersten Halbjahr 2017, denn sie behandelte auf noch eher abstrakter Ebene die Entwicklungsziele für das Gebiet. Auf der zentralen Informationsveranstaltung wurden nach der grundsätzlichen Information zu Verfahren und Inhalten der Fortschreibung in drei moderierten Diskussionsrunden zu den Themen Wohnen, Verkehr und Zentrum die Anliegen der Anwesenden besprochen. Die Offenheit sowie die Transparenz des Prozesses und die sehr gute Gesprächskultur untereinander führten zu einem lohnenden Ergebnis des Abends. Alle Beiträge des Publikums wurden dokumentiert und flossen in die Abwägung der Ziele ein – ebenso wie alle schriftlichen Hinweise, die in einem definierten Zeitraum eingingen. Unterstützt wurde der Beteiligungsprozess durch eine zentrale Internetseite, auf der alle Grundlagen der Fortschreibung und der Stand des Prozesses aktuell gehalten wurden. Hier wurde auch die fertige Abwägung der Stellungnahmen und Hinweise bzw. das Ergebnis der Beteiligung bis zum Beschluss der Ziele durch die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln dokumentiert.

Ann-Christin Rolfes-Bursi, Stephanie Otto

Diskussion Sanierungsziele

Diskussion zu der Fortschreibung der Sanierungsziele