Der KARLON #3 – 2016 berichtet mit dem Schwerpunkt Wohnen über die Entwicklungen im Aktiven Zentrum und Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee. Hier wird viel daran gearbeitet, das Wohnumfeld den gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen anzupassen. Dazu gehören die Modernisierung und der Ausbau der Schulen, Straßen, Grünverbindungen und Fahrradwege.

Neue Nachbarn in der Richardstraße

Mitglieder der Baugemeinschaft Richard 23 im Interview

Neubau Richardstraße 23

Neubauprojekt in der Richardstraße 23 mit 11 Wohneinheiten

Ein privates Wohnungsbauvorhaben wurde kürzlich fertiggestellt. Im April 2016 fielen die Gerüste am neuen Wohngebäude der Baugemeinschaft Richard 23. Elf Haushalte, vor allem Familien, werden hier ihr neues Zuhause finden. Im Interview erläutern die Architekten Annette Isringhaus und Axel Klotzbach und Lisa Braun von der Baugemeinschaft die Entstehungs- und Umsetzungsgeschichte dieses Bauprojekts.

KS: Wie weit ist die Umsetzung Ihres Bauprojekts? In welcher Phase befinden Sie sich?Das Wohnhaus wird im April 2016 fertiggestellt, vier Monate später als ursprünglich vorgesehen. Aufgrund der Straßenbaumaßnahmen in der Richardstraße konnten wir erst verzögert im Dezember 2014 mit dem Bau beginnen. Es gab einfach keine Zufahrtsmöglichkeit für die Baufahrzeuge. Im Mai 2016 wird das Haus bezogen sein. Darauf freuen wir uns sehr – am Anfang eines solchen Bauprozesses scheint alles so unwirklich.

KS: Wie setzt sich die Baugemeinschaft zusammen?
Es wird ein Großteil Familien mit kleinen Kindern einziehen – klassisch und alleinerziehend. Aber auch Paare ohne Kinder. Die Altersspanne bewegt sich grob zwischen Mitte 30 und Mitte 50. Die Mitglieder der Baugemeinschaft stammen alle aus der Berliner Innenstadt und wollen hier auch wohnen bleiben.

KS: Wer hatte die Idee, diese Baugemeinschaft zu gründen?
Initiatoren waren die Architekten, die eine erste Kerngruppe aus ihrem Bekanntenkreis für das Projekt gewinnen konnten, um das Grundstück erwerben zu können. Weitere Mitglieder wurden über wohnportal-berlin.de gefunden, einer Internetseite zur Vermittlung von Baugemeinschaften.

KS: Was sind die Besonderheiten dieses Projekts?
Das Haus wird im Passivhaus-Standard gebaut – also mit guten Dämmeigenschaften und Wärmerückgewinnung. Ergänzt wird das energetische Konzept durch eine Geothermie- und Photovoltaikanlage. Die Wohnungen sind individuell auf die Wünsche der Eigentümerinnen und Eigentümer zugeschnitten. Eine besondere ideologische Programmatik liegt dieser Baugemeinschaft aber nicht zugrunde.

Baugemeinschaftsprojekt

Das Baugemeinschaftsprojekt „Richard 23“ wurde im Frühjahr 2016 fertiggestellt

KS: Gab es eine Fluktuation bei den Mitgliedern während der Planungs- und Umsetzungsphase?
Nein, es ist niemand abgesprungen. Ein Erfolgsgrund ist sicherlich die Größe der Gruppe. Sie ist so übersichtlich, dass wir uns noch gemeinsam an einen Tisch

setzen und Dinge konstruktiv besprechen können. Viele Fragen können wir schnell miteinander klären. Wir waren immer bestrebt, Konsensentscheidungen zu treffen, um Dinge nicht über Mehrheitsabstimmungen erzwingen zu müssen. Für manche Entscheidungen hieß das auch, nochmal Zeit für das Nachdenken einzuräumen. Das hat sich bewährt.

KS: Wie sieht die praktische Organisation der Baugemeinschaft aus?
Wir treffen uns alle zwei Wochen zu gemeinsamen Bausitzungen, die jeweils ein paar Stunden dauern. Dazu müssen Entscheidungen vorbereitet werden – das ist richtig Arbeit. Man spart als Baugemeinschaft zwar die Bauträgerkosten, dessen Aufgaben muss man sich aber dafür in den Bausitzungen „erarbeiten“. Die fachliche und organisatorische Leitung liegt bei den Architekten, die sich vollständig auf dieses Projekt konzentrieren.

KS: Warum haben Sie sich für Neukölln entschieden?
Es ist eine bewusste Entscheidung für den Standort. Das Projekt wird nicht hier umgesetzt, weil wir z. B. in einem anderen Bezirk kein Grundstück gefunden haben. Bekannt waren z. B. die benachbarten Kulturangebote Heimathafen und Neuköllner Oper. Von der Richardstraße und ihrem fast dörflichen Umfeld waren viele Baugemeinschaftsmitglieder dann zusätzlich sehr positiv überrascht. Die Infrastruktur ist gut, das Gebiet wird sich positiv weiterentwickeln. Die hier vorhandene Mischung an Menschen ist so, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlen.

KS: Auf welche Bedingungen sind Sie bei der Umsetzung seitens des Bezirks getroffen?
Mit der guten Unterstützung des Stadtplanungsamts konnten wir die wenigen Stolpersteine, die es bei der Umsetzung gab, ausräumen. Auch das Tiefbauamt war froh über die Entwicklung des Grundstücks, das vormals ein Parkplatz war, und hat uns unterstützt.

KS: Wollen Sie sich als zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner für den Stadtteil engagieren?
Es gibt da keine eindeutige Richtung. Grundsätzlich wollen alle Baugemeinschaftsmitglieder hier ein dauerhaftes Zuhause finden und haben sich bewusst für das Umfeld entschieden. Daran knüpft sich natürlich auch Engagement – in den Kitas und Schulen oder weiteren Punkten des alltäglichen Lebens. Die Identifikation mit dem Stadtteil und der direkten Nachbarschaft ist alleine über die Art des Bauens sehr hoch – alles Weitere wird sich ergeben.

Interview: Stephanie Otto

Richard 23 – Fakten zum Baugemeinschaftsprojekt

  • Grundstücksgröße: 770 m2. Lage im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße /Sonnenallee
  • Neubau eines Wohnhauses mit 11 Wohnungen und 1.200 mWohnfläche.
  • Gebäude mit 4 Vollgeschossen und Dachgeschoss
  • 6 Etagenwohnungen und 5 Maisonettewohnungen, unterschiedliche Wohnungsgrößen und individuell nach den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner gestaltet
  • Energetisches Konzept: Passivhausstandard; Geothermie- und Photovoltaikanlage
  • Grundstückserwerb im Juni 2013. Bauzeit: Dezember 2014 bis April 2016
  • Architekten: akai – Büro für Architektur + Gestaltung