Im  Broadway Nº 11 – 2019/2020  nehmen wir das Thema „Vielfalt“ beim Wort: Von den ganz unterschiedlichen Voraussetzungen für ein gelingendes Zusammenleben in Vielfalt, über die Vielfalt der Flächennutzung im Handel, tierische Artenvielfalt, queeres Leben, Vielfalt der Kulturen und Religionen und weitere vielfältige Aspekte des Lebens und Arbeitens im Bezirkszentrum Karl-Marx-Straße.

Alles so schön bunt hier!

Neukölln hat unweit der Kreuzung Donau- / Ganghoferstraße, in unmittelbarer Nähe zueinander, zwei bemerkenswerte Institutionen aufzuweisen, die sich der kreativen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen widmen. Das KinderKünsteZentrum und das Young Arts Neukölln verfolgen eine ganz ähnliche Aufgabe, aber doch mit unterschiedlichem Profil. Im Gespräch mit Dr. Martin Steffens berichteten Karen Hofmann und Michaela Englert über ihre Arbeit.

Ausstellung Kinderkunst

Ausstellung „Vom Forschen und Finden“ 2018, 48 Stunden Neukölln © Christopher Vogl

Im Gegensatz zu zahlreichen Kinder- und Jugendeinrichtungen des Bezirks geht es bei den genannten Vorzeigeprojekten nicht (nur) um die Freizeitgestaltung junger Menschen. Hier werden für Kinder, Erzieher*innen und Lehrer*innen Angebote der kulturellen Bildung gemacht. Ziel ist es, das künstlerische Lernen professionell zu vermitteln, auch um auf diese Weise Weichen für die spätere Entwicklung der Kinder zu stellen. Beide Einrichtungen, die hinter dem Stadtbad Neukölln und im Rückgebäude der Alten Post angesiedelt sind, sind 2011 gegründet worden. Seitdem hat die kulturelle Bildung im Sanierungsgebiet deutlich an Fahrt gewonnen, zumal sie von weiteren Angeboten, wie etwa den Schulworkshops der [Aktion! Karl-Marx-Straße], flankiert werden. 

Das KinderKünsteZentrum nutzt einen Kulturstandort mit langer Historie. Die ursprünglich als Bibliothek gebaute Villa war bis 2009 Sitz des Museum Neukölln. Hier werden Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren angesprochen, die zahlreiche künstlerische Angebote wahrnehmen können. Unter der Woche sind Kitagruppen zu Gast. An den Wochenenden öffnet sich der Ort für Familien, die die Ausstellung besuchen und Angebote zum Mitmachen nutzen. Die Ausstellungen werden von Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und vor allem den Kitakindern erarbeitet. Leiterin Karen Hofmann ist es wichtig, dass Kinder mit allen Sinnen agieren, viele Formen der Künste kennenlernen und so die Welt begreifen. Sie beklagt, dass der praktische Werk- und Handarbeitsunterricht an den Schulen weggefallen sei und daher die Pädagogik nur noch eingeschränkte Möglichkeiten der Wissensvermittlung habe. Denn neben der kognitiven Welterfahrung setzt gerade die Arbeit mit den Händen und die Anwendung künstlerischer Methoden direkt bei den Bedürfnissen von Kindern an. Kinder sollten selbst werkeln, gestalten und experimentieren, um so das Lernen zu erlernen. Doch auch das zweite Standbein der Arbeit im KinderKünsteZentrum ist Karen Hoffmann wichtig: über Fort- und Weiterbildungen für Erzieher*innen den Wert der kulturellen Bildung an den Kitas zu verankern. Seit 2014 wird die Arbeit dieses „Berliner Kompetenzzentrums für frühkindliche kulturelle Bildung“ vom Senat gefördert.

Kinder beim Workshop

Workshop der Künstlerin Simone Schander © Simone Schander

Auch das Young Arts NK setzt auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und verstärkt seit Kurzem wieder die Qualifizierung von Lehrer*innen der Primar- und Sekundarschulen. Entsprechend sind die Nutzer*innen des Young Arts meistens zwischen sechs und 14 Jahren alt, auch wenn Jugendliche bis zum Verlassen der Schule willkommen sind. Kooperationspartner der hier agierenden professionellen Künstler*innen und Kunstlehrer*innen sind auch verschiedene Neuköllner Schulen, die in Projektwochen und -tagen auf vielfältige Weise den Regelunterricht Kunst verstärken. Die Werkstatträume des Young Arts bieten die Möglichkeit für freie künstlerische Prozesse und ästhetische Erfahrungen, die über den traditionellen Rahmen des Unterrichts hinausgehen. Denn es gibt keine Noten und auch kein „richtig“ oder „falsch“. In dem außerschulischen Angebot an seinen drei Standorten Donaustraße, Gropiusstadt und Körnerpark können sich Kinder und Jugendliche aber auch unabhängig vom Klassenverband in Ateliers anleiten lassen oder spezielle künstlerische Techniken ausprobieren. Wie Michaela Englert, Leiterin des Young Arts Donaustraße, berichtet, sind einige der Jugendlichen schon seit Jahren mit Feuer und Flamme dabei und realisieren inzwischen weitgehend selbständig Projekte, wobei professionelle Künstler*innen teilweise nur noch als Mentor*innen beratend tätig werden müssen. Die Standorte des Young Arts NK sind jeweils unterschiedlich ausgestattet, sodass in allen Sparten der bildenden Künste nach Kräften ausprobiert und gearbeitet werden kann. 

Kunst

Young Arts Projekt mit der Fritz-Karsen-Schule © Carlotta Behrendt

Das KinderKünsteZentrum und das Young Arts Neukölln nutzen gemietete Räume. Der Pachtvertrag des KinderKünsteZentrums muss 2021 mit dem Eigentümer, den Berliner Bäderbetrieben, neu verhandelt werden. Es ist zu hoffen, dass beide Institutionen noch lange ihre wichtige Arbeit in und für Neukölln an ihren Standorten fortsetzen können. Denn nicht nur den beiden Leiterinnen ist bewusst, dass die Erfahrung, die Kinder und Jugendliche in kreativen, selbstbestimmten Prozessen machen, entscheidend sein können für einen erfolgreichen Einstieg in das Bildungs- und Berufsleben. Das Angebot deckt also einen ganz entscheidenden Bedarf ab, der von Kitas und Schulen auch auf absehbare Zeit nicht ausreichend geleistet werden kann.

Dr. Martin Steffens, Kulturnetzwerk Neukölln