Blicken wir zurück, wie sich die Karl-Marx-Straße in den letzten zehn Jahren verändert hat, sehen wir positive Entwicklungen, auf die wir stolz sein können. Wir sehen aber auch Schattenseiten. Einst als Problembezirk verschrien, gilt Neukölln inzwischen als cool und hip. So unberechtigt die pauschale Stigmatisierung war, so wenig sind mit dem Imagewandel alle Probleme verschwunden. Die Gespräche, die die BROADWAY-Redaktion mit Neuköllner*innen geführt und dokumentiert hat, zeugen von dieser Ambivalenz. Die Stadterneuerung muss versuchen, hier einen Ausgleich zu finden.
Um den Wandel zu beschreiben, haben wir in dieser Ausgabe auch gefragt, welche Akteur*innen den gemeinsamen Raum im Zentrum durch ihr Verhalten beeinflussen und verändern. Der Handel prägt wie kaum eine andere Nutzung das Zentrum. Gleichzeitig ist er von einem tiefgreifenden Wandel betroffen. Das Online-Geschäft zwingt den stationären Handel zu anderen Konzepten. Neue Einkaufszentren eröffnen immer noch in Berlin, aber längst nicht mehr alle Flächen können sofort vermietet werden. Spezialisierte Geschäfte hingegen besetzen Nischen für sich.
Die Entwicklung der Gastronomie ist ein Gradmesser für die wachsende internationale Beliebtheit des Bezirks. Neukölln hat sich längst vom Geheimtipp zum Trendsetter gewandelt. Neue Angebote bereichern fast wöchentlich das Zentrum. Zugleich wird nicht mehr jede Neueröffnung ein Erfolg. Zudem sind Lautstärke und steigende Gewerbemieten Entwicklungen, die mich mit Sorge erfüllen.
Auch in Bezug auf die Stadtnatur ist eine Bewusstseinsänderung zu bemerken. Baumscheiben werden bepflanzt, Urban Gardening liegt im Trend, Orte des Stadtgrüns werden im immer dichteren Geflecht der Stadt gesucht und selbst für den guten alten Kleingarten sind die Wartelisten lang wie nie.
Das Zentrum Karl-Marx-Straße ist ein Mikrokosmos dieser Entwicklungen. Um sie positiv zu gestalten, braucht es den Austausch der Menschen vor Ort. Die [Aktion! Karl-Marx-Straße] ist ein Angebot an alle, sich in die Gestaltung des Wandels einzubringen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, den eingeschlagenen Weg auch in den kommenden Jahren kritisch und konstruktiv zu begleiten.
Viel Spaß beim Lesen!
Jochen Biedermann, Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste