Im  Broadway Nº 11 – 2019/2020  nehmen wir das Thema „Vielfalt“ beim Wort: Von den ganz unterschiedlichen Voraussetzungen für ein gelingendes Zusammenleben in Vielfalt, über die Vielfalt der Flächennutzung im Handel, tierische Artenvielfalt, queeres Leben, Vielfalt der Kulturen und Religionen und weitere vielfältige Aspekte des Lebens und Arbeitens im Bezirkszentrum Karl-Marx-Straße.

Boesner – Der Laden für künstlerische Vielfalt an der Karl-Marx-Straße

Mit dem neuen Flagshipstore von boesner auf drei Etagen und ca. 1.400 qm Verkaufsfläche findet eine der größten Ansiedlungen eines Fachhändlers der letzten Jahre im Bezirkszentrum Karl-Marx-Straße statt. Die neue Filiale von boesner in Neukölln entsteht als Vorzeigeobjekt in einem gewachsenen Zentrum – ein Novum für das Unternehmen.

boesner Ladenfront

boesner an der Karl-Marx-Straße 110 © Franz Brück

Manche fangen nun vielleicht an, von einem neuen alten Glanz der Karl-Marx-Straße als Einkaufsstraße zu träumen. Auch wenn das in Zeiten des Strukturwandels im Einzelhandel und der derzeit vermehrt aufkommenden Ansiedlung von Büroflächen im Bezirkszentrum sicher nicht realistisch ist, wird die Eröffnung von boesner dem Handelsstandort sicherlich positive Impulse geben und sich vorteilhaft auf den Kunststandort Neukölln auswirken.

boesner eröffnete vor 37 Jahren seinen ersten kleinen Laden in Bochum und etablierte sich danach als Franchise-Unternehmen im deutschsprachigen Raum. Die erste Berliner Filiale öffnete vor 20 Jahren. Das Kernsortiment umfasst professionelle Künstlermaterialien, Bilderrahmen und ein großes Kunstbuchsortiment. 40 Niederlassungen gibt es inzwischen unter anderem in Köln, Düsseldorf, München, Hamburg, Paris, Zürich und Wien. Neukölln ist der vierte Standort in Berlin – neben Marienfelde, Charlottenburg und Prenzlauer Berg.

boesner Rundgang

Geschäftsführer Michael Harnacke mit Dr. Martin Steffens (links) und Thorsten Schlenger (rechts) vom Kulturnetzwerk Neukölln © Franz Brück

Den Standort in der Neuköllner Karl-Marx-Straße hat boesner wohlüberlegt gewählt und eingehend geprüft. Die neue Filiale reagiert, so der Geschäftsführer Michael Harnacke, „auf die dynamische Entwicklung in Neukölln. Hier leben und arbeiten nach Kreuzberg die meisten Künstler*innen in Berlin und es existiert eine lebendige Kulturszene.“ Schon seit 2012 wurde mit verschiedenen Eigentümern über eine Ansiedlung eines Kultur- und Kreativquartiers in Neukölln verhandelt. Die Idee war die Anmietung einer größeren Fläche und die Vergabe von Flächen an Künstler*innen, Kreative u. a. für kleinteilige Angebote im Rahmen einer Mischkalkulation. Dieses Konzept ließ sich heute mit den gestiegenen Mieten leider nicht mehr verwirklichen. 

In Neukölln wird eine Innovation innerhalb des bestehenden Firmenkonzepts erprobt: Sind die bisherigen Filialen von boes­ner sonst in Gewerbegebieten oder auf Hinterhöfen angesiedelt, wird mit der Nachnutzung des alten H&M-Hauses in der Karl-Marx-Straße 110 auf ein kleinteiligeres Konzept gesetzt. Es zielt auf die Menschen und das Umfeld vor Ort sowie kürzere Wege in einem gewachsenen Einkaufsstandort – ein integriertes Modell, das das Zentrum stärkt und vor allem Kund*innen anspricht, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

Das Warenangebot richtet sich an all jene, die sich für Kunst (Buchhandel), die Präsentation von Kunst (Bilderrahmen) und die Produktion von Kunst (Künstlerbedarf) interessieren. Dabei reicht das Angebot an Materialien von Dingen des täglichen Kunstbedarfs bis hin zu hochspezialisierten Produkten für Kenner und Könner. Es werden aber auch Schreibwaren für den „Otto-Normal-Verbraucher“ angeboten. 

boesner Rundgang

Presserundgang zur Eröffnung der neuen boesner-Filiale © Franz Brück

Das „neue“ boesner will aber nicht nur ein Laden sein. Geplant ist ein Kursangebot vor Ort, in dem sich Interessierte zu künstlerischen Techniken informieren können. Auch ist eine Nutzung des Workshop-Raums für Angebote lokaler Akteure geplant. Michael Harnacke versteht sich als Förderer der Strukturen, die die Kunst am Standort Neukölln unterstützen und sichtbar machen. So wird boesner das Festival „48 Stunden Neukölln“ ab 2020 als Kooperationspartner begleiten. Schon am Eröffnungswochenende gab es künstlerische Aktionen. 

Mit der Ansiedlung von boesner verbinden sich vielfältige Erwartungen im Hinblick auf die Zentrenentwicklung und die Attraktivität des Standortes über die Karl-Marx-Straße hinaus. Zudem strebt der Eigentümer an, sein Geschäft nicht als UFO im Handelszentrum Neuköllns zu landen, sondern mit den lokalen Akteuren in einen Austausch zu treten. Dabei könnte es zu interessanten Synergien zwischen Handel und diskursiver Kunstszene kommen: „boesner möchte Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung sein. Wir möchten die besten und jeweils neuesten Werkzeuge und Hilfsmittel anbieten, damit Künstlerinnen und Künstler sich so gut wie möglich mit gesellschaftlichen und ästhetischen Fragen auseinandersetzen können“, so Michael Harnacke.

Susann Liepe, Citymanagement, Dr. Martin Steffens, Kulturnetzwerk Neukölln