Der Broadway Nº 8 – 2016/2017 widmet sich dem Thema „Kontraste“ und spielt damit auf die vielen unterschiedlichen Entwicklungen im Bezirkszentrum Karl-Marx-Straße an.

Zu den Themen Begegnung, Handel, Stadtentwicklung und Kultur werden Artikel gegenübergestellt: Wandel und Kontinuität, das Mit- und Nebeneinander der Entwicklungen, das Bezirkszentrum als Mikrokosmos seiner Bewohner und Besucher.

Die Rollbergsiedlung – die Mischung macht’s

Auch Stadtplanung bewegt sich in Kontrasten. Die Schaffung besserer Wohnbedingungen ist spätestens seit den 1960er Jahren Konsens, jedoch die Wege dorthin haben sich verändert. „Sanierung“ und „urbanes Wohnen“ werden mittlerweile vollständig anders interpretiert. An den Neuköllner Rollbergen werden die Kontraste der Planungs-philosophien sichtbar. Auf der einen Seite die „Kahlschlagsanierung“ und der vollständige Neubau der Rollbergsiedlung aus den 1970er Jahren, gleich daneben die aktuelle Sanierung und behutsame Ergänzung des Bestandes auf dem ehemaligen Gelände der Kindl-Brauerei. Die Rollbergsiedlung leidet strukturell noch heute an der fehlenden städtebaulichen Integration in die Nachbarschaft. Das wiederum haben sich die Entwickler des benachbarten Kindl-Geländes zur Aufgabe gemacht. Interessant wird, zu sehen, welche Symbiose beide Gebiete miteinander eingehen werden. Eine Standortbestimmung des Rollberg-Kiezes von Ingo Malter, Geschäftsführer der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH.

Abriss und Neubau der Rollbergsiedlung, 1970er Jahre © Museum Neukölln

Mehr Licht, mehr Luft, mehr Sonne für jede Wohnung, das war das Ziel, als der Berliner Senat in den 1960er Jahren entschied, die Rollbergsiedlung umfangreich zu sanieren. Die Konsequenz war ein nahezu vollständiger Abriss des alten Arbeiterviertels. Es entstand moderner Wohnungsbau, von dem bis heute viele Bewohner profitieren. Das Gebiet hat den städtebaulichen Charakter einer Großsiedlung, ist aber von den Bauherren überschaubarer geplant und realisiert worden.

Besonders charakteristisch für das Viertel sind die sechsgeschossigen Ringgebäude zwischen Werbellin- und Kopfstraße, die zwischen 1976 und 1982 errichtet wurden. Jedes der fünf Wohncarrées hat einen verkehrsberuhigten 60 x 60 Meter großen Innenhof und ist gekennzeichnet durch eine hohe Wohnungsvielfalt. In einem Block finden sich bis zu zwanzig verschiedene Wohnungstypen.

Rollberg Luftbild

Luftaufnahme der heutigen Rollbergsiedlung © STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH

Insgesamt gilt das Rollbergviertel immer noch als problematisch. Neben dem Quartiersmanagement und dem Mieterbeirat sind deshalb viele soziale Projekte vor Ort aktiv und leisten tolle Arbeit. Dazu gehört der MaDonna Mädchenkult.Ur e. V., das Schülerhilfe Netzwerk Morus 14, das Projekt AlwiG „Alleine wohnen in Gemeinschaft“, der Kinder-Dschungel und die soziale Betreuung der Arbeiterwohlfahrt. Die STADT UND LAND stellt sozialen Akteuren im Quartier rund 2.000 m2zur Verfügung. Dies hat einen immensen Mehrwert für das Rollbergviertel. Die enge Zusammenarbeit von Quartiersmanagement, sozialen Trägern, engagierten Vereinen, Schulen und Kitas hat zu einer erheblichen Stabilisierung beigetragen. Ein deutlicher Beleg dafür ist die aktuell geringe Fluktuation.

Die zunehmende Wohnungsnachfrage hat das sozial sehr vielschichtige Quartier erreicht. Dazu trägt auch die Nähe zur Karl-Marx-Straße bei. Sie ist Lebensmittelpunkt, Kulturmeile und Einkaufsstraße zugleich. Auf der anderen Seite liegt die Hermannstraße mit einer zweiten U-Bahn-Linie vor der Haustür.

Gestern und heute war und ist es wichtig, dass im Rollbergviertel alle Zielgruppen mit Wohnraum versorgt werden können. Nicht nur sozial- und einkommensschwächere Mieter finden hier ein Zuhause. In den Ringgebäuden leben mehr als 30 Nationalitäten zusammen, im Mäander-Bereich mit einem Durchschnittsalter von knapp 57 Jahren. Die soziale Mischung ist für uns als kommunale Wohnungsbaugesellschaft von enormer Bedeutung. Der Rollberg ist eines jener Gebiete, die künftig vorrangig an Haushalte mit einem sogenannten WBS vermietet werden. Wir sorgen zugleich dafür, dass das Rollbergviertel wächst. In der Briesestraße bauen wir noch in diesem Jahr 101 neue Wohnungen. Der Neubau wird dem Quartier gut tun, es ergänzen, bereichern und 2018 bezugsfertig sein. Die Zukunft des Rollbergviertels kann kommen.

Ingo Malter, Geschäftsführer der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH

Steckbrief der Rollbergsiedlung

 Die Siedlung entstand um 1870 für Arbeiter als typisches Mietskasernenviertel. Die Wohnungen waren eng und schlecht ausgestattet, die Lebensbedingungen der rund 12.400 Bewohner elend. Bis in die 1960er Jahre wurde kaum investiert. Dann wurde die „Flächensanierung“, d. h. der fast vollständige Abriss der Häuser mit 5.780 Wohnungen beschlossen. Der Neubau des Viertels mit rund 2.100 Wohnungen entstand nach den Plänen der Architekten Rainer Oefelein, Bernhard Freund und Reinhard Schmock im Auftrag der STADT UND LAND. Heute leben etwa 5.800 Bewohner in der Siedlung. Die Durchschnittsmiete liegt aktuell bei 5,72 EUR/m².