Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #6 – 2019, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.

Stand August 2019

Bezahlbare Mieten im Sanierungsgebiet

Handlungsspielräume und verfügbare Instrumente

Angesichts mancher gesellschaftlich ungelösten Konflikte gerät auch die Stadtentwicklung immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Angst, seine Wohnung nicht mehr bezahlen zu können, ist hierbei ein Thema, das auch besonders vielen Neuköllner*innen unter den Nägeln brennt. Vieles, was früher eher positiv empfunden wurde, z. B. die Neugestaltung von öffentlichen Straßen und Plätzen, wirkt auf manche nun bedrohlich. Denn sie fürchten, dass dies die Gentrifizierung unterstützt, also die Verdrängung der angestammten Bevölkerung.

Ist diese Befürchtung begründet? Dies ist eine sehr wichtige Frage. Denn ein Sanierungsgebiet ist ein Raum, in dem besondere Problemlagen vorherrschen, sogenannte „städtebauliche Missstände“. Diese sollen durch den gezielten Einsatz von Fördermitteln abgebaut werden – in Neukölln immerhin 60 Millionen Euro über den gesamten Sanierungszeitraum hinweg. Für das Gebiet Karl-Marx-Straße / Sonnenallee liegen die Sanierungsziele vor allem in der Stärkung des Zentrums Karl-Marx-Straße und der Verbesserung der sozialen Infrastruktur sowie des öffentlichen Raums. Und zwar nicht für irgendwen, sondern konkret für die Bewohner*innen des Gebietes. An ihnen orientiert sich die Planung, ihre besonderen Bedürfnisse sind Grundlage des Sanierungsprogramms. 

Vorgarten

© Bergsee, blau

Bereits 2016 wurde eine „Wohn- und Infrastrukturuntersuchung“ durchgeführt (abzurufen unter: kms-sonne.mmserver.org/service). In dieser wurde das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße / Sonnenallee mit sieben Gebieten in Berlin verglichen, die eine ähnliche Struktur aufweisen, aber keine Fördergebiete sind. Quintessenz dieser Untersuchung ist: die Entwicklung der Mietpreise unterscheidet sich im Sanierungsgebiet nicht maßgeblich von den anderen innerstädtischen Lagen. Es hätte daher keinen Nutzen, auf den Einsatz von Fördermitteln zu verzichten. Und statt, wie woanders, nur mit geringem Aufwand Löcher zu stopfen, besteht mit der Städtebauförderung auch die Möglichkeit, komplexere Infrastrukturaufgaben zu bewältigen. Dies wird verknüpft mit einer zukunftsfähigen Gestaltung und einer viel stärkeren Beteiligung der Bewohner*innen, als dies in der klassischen Investitionsplanung, also ohne die umfassende Unterstützung der Verwaltung durch Mittel der Städtebauförderung möglich wäre.

Der Erhalt der Bevölkerungsstruktur ist in Neukölln aber auch stark mit der Sicherung kostengünstigen Wohnraums verknüpft. Wie lässt sich dies aber erreichen? Einen Königsweg gibt es hier leider nicht. Der Zielkonflikt zwischen dem Schutz des Eigentums und dem öffentlichen Interesse an bezahlbarem Wohnraum spiegelt sich auch im Baugesetzbuch wider. Dieses legt den Handlungsspielraum des Stadtentwicklungsamts als Verwaltungsbehörde verbindlich fest. Eine Möglichkeit, die das Baugesetzbuch der Verwaltung bietet, ist die Festsetzung sozialer Sanierungsziele. Der Erhalt kostengünstigen Mietwohnraums ist aber kein Problem, das allein das Sanierungsgebiet betrifft, sondern inzwischen weite Teile der Berliner Innenstadt. Daher wurde das Sanierungsrecht mit einem anderen städtebaulichen Instrument kombiniert: dem Milieuschutz. 

Gespräch auf der Straße

© Susanne Tessa Müller