Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #8 – 2021, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.

Stand Juli 2021

Mitwirkung ausdrücklich erwünscht!

Der Mitmach-Laden Neukölln unterstützt dabei

Im Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße / Sonnenallee gibt es seit Beginn des Sanierungszeitraums bereits umfassende Formate der Information und Beteiligung. Neukölln hat im Frühjahr 2021 nun eine neue Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung unter dem Namen „Mitmach-Laden“ für den ganzen Bezirk eröffnet. Sie ist ein wesentlicher Baustein bei der Umsetzung der bezirklichen „Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung“. Diese orientieren sich wiederum an den 2019 festgelegten Berliner Leitlinien für Beteiligung. Die Angebote des Mitmach-Ladens sind damit ein weiterer Baustein einer guten Beteiligungskultur im gesamten Bezirk.

Mitmach-Laden

Das Team vom Mitmach-Laden in der Hertzbergstraße 22: Ursula Holsten, Lukas Schulte (hinten),
Stella Malliara, Gizem Akgül, Franziska Zeisig (vorne), © Mitmach-Laden Neukölln

Wir sprachen mit Stella Malliara, Ursula Holsten, Lukas Schulte und Gizem Akgül vom Mitmach-Laden über ihre Aufgaben.

KS: Warum wurde in Neukölln eine Anlaufstelle für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern eingerichtet?
Malliara: Die Grundlage hierfür ist das Beteiligungskonzept der Berliner Leitlinien für Beteiligung. Eins der darin vorgeschlagenen Instrumente zur Umsetzung ist die Einrichtung von Anlaufstellen in den Bezirken. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat den Bezirken dafür eine Anschubfinanzierung für zwei Jahre zur Verfügung gestellt. Das Bezirksamt hat im letzten Jahr mit der Umsetzung begonnen, seit diesem Jahr ist auch die Bürgerstiftung Neukölln als zivilgesellschaftlicher Träger dabei, seit April 2021 hat der Mitmach-Laden offiziell geöffnet. Davor haben wir die Strukturen für unsere gemeinsame Arbeit aufgebaut. Zudem war es ein wichtiger und guter Schritt, um die Beteiligungsstrukturen in Neukölln zu stärken und um gemeinsam an dem Ziel zu arbeiten, qualitativ gute Beteiligungsprozesse umsetzen zu können.

KS: Gibt es Vorgaben des Landes Berlin, wie eine bezirk­liche Anlaufstelle aufgebaut werden soll?
Malliara: Jeder Bezirk kann eigenverantwortlich entscheiden, welche Struktur er wählt. Von Seiten des Senats wird empfohlen, die Anlaufstellen gleichberechtigt mit Mitarbeitenden aus dem Bezirksamt und einem freien zivilgesellschaftlichen Träger zu besetzen. Neukölln ist dieser Empfehlung bewusst gefolgt.

KS: Worum kümmert sich der Mitmach-Laden?
Schulte: Wir kümmern uns um den Aufbau und die Pflege einer bezirklichen Vorhabenliste. Wir entwickeln zudem Strategien und bauen Netzwerke auf, um auch Zielgruppen zu erreichen, die ihre Ideen bisher nicht ins Rathaus getragen haben. Wir sind aber auch dafür da, die Leitlinien anhand der Erfahrungen, die wir machen, weiterzuentwickeln. Dabei wirken wir in beide Richtungen: Wir informieren und beraten die Bezirksverwaltung und -politik und die Bürgerschaft gleichermaßen. Die Anlaufstelle berät z. B. auch Personen, wenn diese selbst Beteiligungsprojekte starten möchten.

Holsten: Wir kommunizieren also in alle Richtungen. Dabei ist es uns wichtig, eine Sprache zu nutzen, die gut verständlich ist.

KS: Können Sie das Instrument Vorhabenliste etwas genauer erklären?
Malliara: In der Vorhabenliste sollen perspektivisch alle bezirklichen Vorhaben dargestellt und veröffentlicht werden. Dies geschieht einerseits auf dem Berliner Beteiligungsportal www.mein.berlin.de und andererseits als PDF, das auch ausgedruckt im Mitmach-Laden ausliegen wird. Im Bezirks­amt sind wir dabei, gemeinsam mit den Fachämtern die ersten Vorhaben zu identifizieren und diese in die Liste aufzunehmen. Auch zu weiteren praktischen Dingen der Umsetzung führen wir Workshops mit den Fachämtern durch, da sich viele praktische Fragen erst im Rahmen der Umsetzung zeigen, die dann in die Weiterentwicklung der Leitlinien einfließen.

KS: Wie möchten Sie neue Zielgruppen erreichen und wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit den verschiedenen Personen und Institutionen aus?
Schulte: Unsere Arbeit beginnt gerade. Im ersten Jahr werden wir z. B. mit den Stadtteilmüttern im Bezirk kooperieren. Diese können uns gute Hinweise geben, wie wir Familien mit Migrationserfahrung erreichen können. Darüber hinaus bauen wir Netzwerke auf, um in Kontakt mit den unterschiedlichsten Communities im Bezirk zu kommen und deren Erfahrungen zu nutzen.

Holsten: Uns ist es wichtig, mit denen zusammenzuarbeiten, die schon Netzwerke vor Ort haben. Diese sehen im Süden des Bezirks vielleicht ganz anders aus als in Nord-Neukölln, weil sich die Zusammensetzung der Bevölkerung sehr voneinander unterscheidet. Wir beschäftigen uns auch viel mit der Frage, wie wir die Menschen bei konkreten Beteiligungsprojekten vor Ort am besten informieren und erreichen können.

Malliara: Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung müssen wir „mitnehmen“. Da gilt es manchmal aufzuklären, dass viele der Leitlinien in der Umsetzung gar nicht so kompliziert sind, wie sie zunächst ausschauen. Außerdem ist uns wichtig, dass die Verwaltung einen stetigen Ansprechpartner für Fragen rund um das Thema Beteiligung hat.

Holsten: Am Anfang wird die Planung durch die neuen Verfahren der Beteiligung vielleicht etwas länger als bisher dauern. Durch die frühzeitige Einbindung vieler Interessen können mögliche Konflikte dafür schon in einer frühen Phase erkannt werden. Konflikte, die später Planungsprozesse über den Haufen geworfen oder vermeidbare Unzufriedenheit bei den Anwohnern verursacht hätten. Das bedeutet letztlich eine Zeitersparnis.

KS: Wie geschieht die Einbindung der Politik?
Malliara: In der praktischen Arbeit für uns ist die Politik eine der vielen Akteursgruppen, für die wir Ansprechpartner in allen Fragen der Beteiligung sind.

Schulte: Die Frage, wer später über welche Dinge in dem betreffenden Beteiligungsprojekt entscheidet, z. B. Bezirkspolitik oder Verwaltung, muss von Anfang an transparent in den Beteiligungskonzepten dargelegt werden. Wir haben im Bezirk nun Strukturen und Prozesse entwickelt, um gute Beteiligungsprozesse unter möglichst einheitlichen Regelungen durchführen zu können. Doch es braucht auch Zeit, diese neuen Wege zu etablieren und kreativ weiterzuentwickeln.

KS: Haben Sie ein Beispiel für ein aktuell erfolgreiches Beteiligungsprojekt in Neukölln?
Malliara: Ein gutes Beispiel sind die abgefragten Vorschläge zur Finanzierung von Maßnahmen aus dem Bezirkshaushalt über www.mein.berlin.de. In der ersten Phase sind über 180 Vorschläge gemacht worden. Davon wurden diejenigen rausgefiltert, die nicht in der Zuständigkeit des Bezirks liegen. Alle anderen werden gerade zur Abstimmung gestellt (Stand Mai 2021). Die 25 Nennungen mit den meisten Zustimmungen werden dann direkt zur Beratung in die politischen Ausschüsse gegeben.

Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Interview: Stephanie Otto