Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #11 – 2024, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.
Stand November 2024
Bund und Bezirk Neukölln legen neue Hitzeschutzstrategien vor
Jährlich wird es heißer: Die Anzahl der Hitzetage mit einer täglichen Durchschnittstemperatur von über 23°C hat sich in den letzten Jahrzehnten fast verdreifacht. Um den steigenden Temperaturen entgegenzuwirken, hat der Bezirk Neukölln diesen Sommer einen ersten Hitzeschutzplan vorgelegt, um vor allem besonders vulnerable Personengruppen zu schützen. Er zielt damit insbesondere auf gesundheitliche Maßnahmen ab, die dabei helfen sollen, länger anhaltende Hitzeperioden, von denen sich der menschliche Körper nur schwer erholen kann, zu vermeiden.
Damit schließt der bezirkliche Hitzeschutzplan sich den Hitzeschutzstrategien des Bundesbauministeriums an, das Hitzeschutz als soziales Thema definiert und sich Umweltgerechtigkeit zum Ziel gesetzt hat. Denn im Sommer leiden vor allem benachteiligte Bevölkerungsgruppen unter hohen Temperaturen, da sie der Hitze nicht so gut ausweichen können oder ihr Körper Hitze nicht so gut verkraften kann. Dies betrifft vor allem wohnungslose Menschen und Menschen, die draußen arbeiten, oder auch Schwangere sowie ältere oder chronisch kranke Menschen. Zufluchtsorte wie wir sie im Winter kennen, wie zum Beispiel Wärmestuben und Notversorgungen, werden damit in entsprechender Form zunehmend auch in den Sommermonaten ein Thema werden.
Anzahl der Hitzetage mit einer täglichen Durchschnittstemperatur von über 23°C in Berlin, 1985-2023. (Quelle: Hitzeschutzplan 2024 des Bezirks Neukölln)
Zum Schutz vor Hitze werden zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt. Während die Verhaltensprävention darauf abzielt, klimaanpassende Veränderung durch individuelle Verhaltensweisen zu erreichen, sollen mit der Verhältnisprävention Lebensverhältnisse auf struktureller Weise verbessert werden. So wurde zur Unterstützung der Verhaltensprävention vom Bezirk Neukölln zusammen mit dem Verein für ökologische Kommunikation (oekom e.V.) im Frühjahr 2024 erstmals ein „Klimasparbuch“ vorgelegt. Es handelt sich hierbei um einen kostenlosen Ratgeber, der mit zahlreichen Tipps und Tricks zeigt, wie sich auf individueller Ebene schon kleine Maßnahmen im Alltag auf das Klima sowie den eigenen Geldbeutel positiv auswirken können. Dabei geht es vor allem um eine klimafreundliche Ernährung, energiesparende Maßnahmen im eigenen Haushalt (vom Kochen bis zur Mobilität), oder auch um die Förderung der Kreislaufwirtschaft durch eine verbesserte Reparatur- und Flohmarktkultur. Als Bonus und Anreiz beinhaltet das Klimasparbuch Gutscheine von lokalen Anbietern nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen. Zu finden ist das Klimasparbuch in den Neuköllner Bibliotheken, Bürgerämtern, Quartiersmanagement-Büros, Senioren- und Jugendfreizeitstätten sowie kulturellen Einrichtungen.
Hitzekarte Neukölln
Die Hitzekarte des Bezirks Neukölln stellt die Hitzebelastung in den jeweiligen Planungsräumen dar. Die dunkelroten Flächen deuten auf eine besonders hohe Hitzebelastung hin. In der Karte können die Standorte von Trinkbrunnen der Berliner Wasserbetriebe sowie von den „kühlen Räumen“ eingesehen werden. Trinkwasser, Sitzgelegenheiten und Sanitäranlagen sind in den kühlen Räumen vorhanden. Bitte beachten Sie die Öffnungszeiten der jeweiligen Einrichtungen.
Bei der Verhältnisprävention hingegen geht es um die Verbesserung der Aufenthaltsqualität in öffentlichen Räumen und Gebäuden durch infrastrukturelle Maßnahmen. Damit geht sie trotz der sich verschärfenden Folgen des Klimawandels von einer Steuerung der räumlichen und baulichen Einflussfaktoren auf die Hitzeentwicklung aus, die durch eine integrierte (also fachbereichsübergreifende) Stadtentwicklung erreicht werden kann. Zu den Maßnahmen der Verhältnisprävention gehören beispielsweise die Sicherung von Kaltluftentstehungsflächen und die damit einhergehende Vernetzung von Grünräumen.
Fußläufig zu erreichende Erholungsflächen sind besonders in innerstädtischen Gebieten wichtig, da hier aufgrund von hohem Versiegelungsgrad, geringem Vegetationsanteil und schlechter Durchlüftung verstärkt Wärmeinseleffekte auftreten können. Diese innerstädtischen Wärmeinseln können, verglichen mit den Temperaturen am Stadtrand, oft bis zu 10°C höhere Temperaturen aufweisen. In dicht bebauten Gebieten kann diesem Phänomen durch nachträgliche Begrünung beispielsweise von Dächern und Fassaden sowie dem Pflanzen von Bäumen betgegnet werden. So können laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2,5 Kubikmeter Grünvolumen je Quadratmeter die Umgebungstemperatur bereits um 1°C senken. Der Hitzeschutzplan des Bezirks nennt diesbezüglich für 2024 Maßnahmen wie den laufenden, klimaresilienten Umbau der Hasenheide, die Begrünung und Entsiegelung von Innenhöfen sowie der Pflanzung von etwa 150 klimaangepassten Straßenbäumen.
Berlin in 60 Jahren
Wer wissen möchte, wie sich Berlin in etwa 60 Jahren anfühlen wird, kann einen Blick auf die Webseite „Future Urban Climate“ der Universität Maryland werfen. Dort werden Temperaturprognosen für Städte im Jahr 2080 mit den bereits bestehenden Konditionen andernorts verglichen. Der Studie nach wird sich das Klima in Berlin in 60 Jahren so anfühlen, wie es bereits heute in der norditalienischen Stadt Padulle in der Emilia-Romagna wahrgenommen wird. Nach diesen Prognosen soll es im Sommer 2080 in Berlin 5,7°C wärmer und 8,1 % trockener werden. Die Wintermonate werden dagegen 5,1°C wärmer und 11,5 % feuchter erwartet.
Darüber hinaus kann das Schaffen von „kühlen Räumen“ eine weitere hilfreiche klimaanpassende Maßnahme darstellen. In diesem Sinne hat das Bezirksamt nun erstmals ein Netzwerk an solchen Räumen vorgelegt, unter anderem bestehend aus Stadtteilzentren, an denen Menschen an besonders heißen Tagen Zuflucht finden können. Zu finden sind die Standorte dieser kühlen Räume als interaktive Hitzekarte auf der Webseite des Bezirksamts. Noch umfänglicher hingegen ist die Berliner Erfrischungskarte der städtischen Plattform „Bärenhitze – Berlin bleibt cool“. Neben kühlen öffentlichen Räumen werden dort noch weitere zur Erholung geeignete Orte wie beispielsweise Badestellen, Trinkbrunnen, Grünanlagen, Sitzbänke und Toiletten aufgezeigt. Zusätzlich dazu bietet die Erfrischungskarte Einblick in die sich nach Ort und Uhrzeit unterscheidenden stadtklimatischen Bedingungen am Beispiel eines typischen Sommertags in Berlin. Für jede Stunde zwischen 10 und 20 Uhr können dort anhand von Farbskalen die entsprechenden Bedingungen von Schatten, Lufttemperatur und Menge an kühlem Wind eingesehen werden.
Innerhalb des Sanierungsgebiets Karl-Marx-Straße/Sonnenallee wurden darüber hinaus, unabhängig vom Hitzeschutzplan, bereits verschiedene Maßnahmen zur Klimaanpassung umgesetzt. Viele weitere befinden sich in der Planung beziehungsweise in der Umsetzung. Neben Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und Verkehrsberuhigung wird beispielsweise der Umbau der Elbestraße, der Weichselstraße und des Karl-Marx-Platzes dafür sorgen, dass Niederschlagswasser überwiegend vor Ort versickert und verdunstet, anstatt in die Mischwasserkanalisation eingeleitet zu werden. Das Weigandufer ermöglicht seit seiner Erneuerung eine partielle dezentrale Regenentwässerung. Zudem sind dort wie auch am Lohmühlen-, Weichsel- und Wildenbruchplatz wichtige Maßnahmen zur Stärkung von Grünräumen umgesetzt worden. Hier wurden unter anderem bessere Bedingungen für Straßenbäume geschaffen, die Biodiversität erhöht sowie Grünflächen vergrößert. Außerdem werden bei Nachverdichtungen, wie beispielsweise durch Dachgeschossausbauten oder Aufstockungen, ökologische Ausgleichsmaßnahmen gefordert. Damit werden im Rahmen der sanierungsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu guter Letzt auch die Gestaltung und Begrünung von privaten Wohnhöfen unterstützt.
Carolina Crijns