Dies ist ein Artikel ist aus dem KARLSON #11 – 2024, der Zeitung für das Sanierungsgebiet Karl-Marx-Straße/Sonnenallee.

Stand November 2024

Kultur, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit im Fokus

Aktuelle Planungen und Entwicklungen zum VOLLGUT auf dem Kindl-Areal

Zahlreiche Gebäude sind in den letzten Jahren auf dem Kindl-Gelände abgetragen, umgebaut oder neu errichtet worden. In naher Zukunft wird auch der letzte, „unentwickelte“ Teil dieses einzigartigen Stadtraums neu belebt. Die Planungen für das hier entstehende gemeinwohlorientierte Kultur- und Gewerbezentrum VOLLGUT Neukölln, das nicht nur neue Angebote im Rollbergkiez schaffen, sondern das Kindl-Areal als Ort der Begegnung und des Austauschs stärken will, laufen auf Hochtouren. Vieles hat sich gegenüber den früheren Planungen verändert – ein guter Anlass, um über den aktuellen Stand des Projekts zu berichten.

Vollgut

Ansicht des zukünftigen VOLLGUT Neukölln vom Kindl-Hof aus (vorläufiger Entwurf; © Atelier Buba)

Der rund 35.000 Quadratmeter große VOLLGUT-Komplex, in dem früher die vollen Tanks und die abgefüllten Bierflaschen der Kindl-Brauerei gelagert wurden, erstreckt sich über fünf Geschosse, die zu großen Teilen unterirdisch in die Rollberge gebaut sind. Seit der Schließung der Brauerei im Jahr 2005 stehen viele Flächen leer, einige Teilbereiche dagegen werden seit mehr als 10 Jahren anderweitig genutzt. Zur Entwicklung und Verwaltung des Gebäudes hat sich 2023 die Genossenschaft Vollgut eG gegründet, die die vorhandene Bausubstanz behutsam sanieren und gemeinwohlorientiert entwickeln will. Hervorgegangen ist die Vollgut eG aus der TRNSFRM eG, in der der jetzige Vorstand bereits die Projektentwicklung und -steuerung für die Gebäude CRCLR und ALLTAG innehatte. Mit dem VOLLGUT Neukölln wird nun das nächste Projekt auf dem Kindl-Gelände realisiert.

Für die städtebauliche Entwicklung der Fläche oberhalb des ehemaligen Vollgutlagers fand 2021 das Werkstattverfahren „Schule findet Stadt“ unter Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Aus diesem ging der Entwurf „KINDL-Hallen“ des Teams ff-Architekten Feldhusen und Fleckenstein mit Häfner Jiménez Betcke Jarosch Landschaftsarchitektur als Sieger hervor. Dieser Entwurf bildete die die Grundlage für einen städtebaulichen Vertrag zwischen dem Stadtentwicklungsamt Neukölln und der Stiftung Edith Maryon als Grundstückseigentümerin, in dem die wichtigsten städtebaulichen und nutzungsbezogenen Ziele festgehalten sind.

Vollgut

Blick in den zukünftigen Werkhof (vorläufiger Entwurf; © Atelier Buba)

Veränderungen seit dem Werkstattverfahren
Zum Zeitpunkt des Werkstattverfahrens war vorgesehen, dass eine Waldorfschule als einer der Ankernutzer den oberirdischen Teil der VOLLGUT-Flächen bezieht. Mit dem Wegfall dieses Nutzers waren umfangreiche konzeptionelle Anpassungen verbunden. Gleichzeitig waren bauliche Überarbeitungen unabdingbar, da statische Belange den ursprünglichen Planungen entgegenstanden.

Der grundsätzliche Ansatz, die Großstruktur des Komplexes durch Einschnitte aufzulockern, um das Gebäudevolumen zu reduzieren sowie eine angemessene Belichtung und Erschließung der Flächen zu gewährleisten, wurde beibehalten. Man entschied sich jedoch, die ursprünglich geplanten zwei Werkhöfe auf einen zu reduzieren, um die Eingriffe in die bestehende Bausubstanz so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund wurde auch die Lage des verbleibenden Hofes leicht verändert. Ebenfalls neu konzipiert wurde die innere Erschließung des Baukörpers. So wurde ein dreidimensionales Wegekreuz erarbeitet, das alle vier Seiten des Gebäudes und alle Geschosse zentral erschließt. Ergänzend soll ein Leitsystem die Orientierung auf dem Gelände erleichtern. Überdies soll das Gebäude künftig weitgehend barrierefrei zugänglich sein.

Die „Kindl-Promenade“, eines der zentralen Elemente des Siegerentwurfs, bleibt Bestandteil der Umgestaltungspläne. Es handelt sich hier um einen parallel zur Rollbergstraße verlaufenden öffentlich zugänglichen Freiraum, der von eher kleinteiligen Nutzungen und einem Lichthof begleitet wird. Durch den Erhalt der Trägerstruktur soll das industrielle Erbe des Ortes sichtbar und erlebbar gemacht werden. Parallel zur Kindl-Promenade wird eine Markthalle, ähnlich einer überdachten Passage, als weitere Durchwegung dienen, die im Siegerentwurf noch nicht enthalten war.

Vollgut

Räumlichkeiten im VOLLGUT-Komplex – jetziger Zustand (Foto: © Philipp Lohöfener)

Zukünftige Nutzungen auf dem Gelände
Die Vollgut eG zählt derzeit rund 20 gemeinnützige bzw. gemeinwohlorientierte Mitglieder-Organisationen, die sich aktiv und gleichberechtigt in den Entwicklungsprozess des Komplexes einbringen. Einige von ihnen, darunter der Club SchwuZ, der Zuhause e.V. und Artistania, sind bereits auf dem Areal ansässig; andere Mitglieder werden sich erst nach dem Umbau ansiedeln. In Zukunft wird die Genossenschaft etwa 25 bis 30 Mitglieder umfassen – je nach Aufteilung der noch freien Flächen. Mit einer Filmschule, einem Archivzentrum und einer Holzwerkstatt stehen bereits einige zukünftige Nutzungen fest. Darüber hinaus ziehen unter anderem eine Kindertagesstätte, eine Kletter- und Boulderhalle, ein Makerspace sowie eine koreanische Markthalle in das Gebäude ein. Eine vollständige Übersicht aller nutzenden Mitglieder findet sich auf der Internetseite der Vollgut eG.

Mit seinen vielfältigen Angeboten aus den Bereichen Kultur, Kunst, Bildung, Sport, Gastronomie und vielem mehr entsteht mit dem VOLLGUT ein Kultur- und Gewerbestandort im Herzen Neuköllns, der sich mit seinen niedrigschwelligen Angeboten im besonderen Maße an die Menschen aus der Nachbarschaft richtet. Das VOLLGUT wird so zu einem lebendigen Ort, der frei von Konsumzwang für alle zugänglich ist.

Die Ziellinie im Blick
Der Bauantrag wird voraussichtlich Ende 2024/Anfang 2025 beim Bezirk eingereicht. Geplanter Baubeginn ist 2025. In einem ersten Schritt sollen vordringliche Maßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem die Entsorgung von Altlasten sowie notwendige Abbrucharbeiten. Der anschließende Umbau sieht minimalinvasive Eingriffe vor. Ziel ist es, die historische Bausubstanz weitgehend zu erhalten und Ressourcen zu sparen. Damit einher gehen eine kürzere Bauzeit und niedrigere Baukosten. Bis 2027 soll das VOLLGUT nach den Prinzipien des zirkulären Bauens ökologisch nachhaltig saniert sein. Im Anschluss werden die Räume durch die Nutzenden selbst ausgebaut.
Christoph Lentwojt

Weiterführende Informationen zum Kindl-Areal und Vollgut:
www.kms-sonne.de/projekte/kindl-areal
www.vollgut.berlin

Neue Bundesgeschäftsstelle des BUND

BUND

In unmittelbarer Nähe zum VOLLGUT, in der Rollberg­straße, entsteht mit der Bundesgeschäftsstelle des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, derzeit ein weiteres Gebäude auf dem Kindl-Areal. Bis Mitte 2026 wird hier ein ökologischer und nachhaltiger fünfgeschossiger Holz-Hybrid-Bau errichtet, der Platz für bis zu 180 Arbeitsplätze sowie Seminar- und Besprechungsräume bietet. Darüber hinaus sind Gemeinschaftsräume vorgesehen, die allen BUND-Mitgliedern zur Verfügung stehen und den Neubau so zu einem attraktiven, gemeinwohlorientierten Begegnungsort machen sollen.